#Twittereffect. Besteht eine Verbindung zwischen Twitter und dem Erfolg von Kinofilmen bzw. Büchern?

Artikel verfasst von: Elke Peherstorfer

1. Einführung

Im Zeitalter des Internets gibt es kaum Bereiche, die durch seine Nutzung nicht beeinflusst werden. Online-Interaktionen sind im hohen Maße sozial geprägt und  Kaufentscheidungen beruhen oft auf Benutzerbewertungen (Weinberg:17).

Beim näheren Befassen mit der Kommunikationsplattform Twitter stößt man auf eine interessante Studie, die sich mit dem Effekt von Twitter auf den Erfolg von Kinofilmen befasst. Sie trägt den Titel : Exploring the ´Twitter Effekt`:“An Investigation of the Impact of Microblogging of Mouth on Consumers´Early Adoption of New Products” von Thorsten Hennig-Thurau vom Marketing Center Münster in Zusammenarbeit mit Caroline Wiertz von der Cass Business School, City University London.

Im Zuge dieser Studie wurden 105 Filme, die im Zeitraum von Oktober 2009 bis Oktober 2010 in nordamerikanischen Kinos veröffentlicht wurden, gemeinsam mit den insgesamt 4 Millionen Twitter-Nachrichten, die unmittelbar am Wochenende nach ihrer Premiere veröffentlicht wurden, analysiert. So sollte der sogenannte
`Twitter-Effekt´ nachgewiesen werden. Um diese Theorie belegen zu können, wurde im Vergleich die Erfolgsquote von 105 anderen Kinofilmen  analysiert, die bereits im Vorfeld des Twitter-Zeitalters ihre Premiere feierten und somit nicht über Mikroblogging weiterempfohlen werden konnten.

2. Wichtige Begriffe der Studie

In der Studie werden folgende Begriffe verwendet:

           “Microblogging word of mouth“ (MWOM)

           “Traditional word of mouth”  (TWOM), entspricht der Idee der Mundpropaganda

           “Electronic word of mouth“  (EWOM)

Ein EWOM ist im Gegensatz zum MWOM jegliche elektronische Äußerung, wohingegen das MWOM sich lediglich auf Mikroblogging-Plattformen wie Twitter bezieht und damit eine viel breitere Personengruppe in kürzester Zeit erreicht werden kann. Das TWOM hingegen wurde längst von den elektronischen Möglichkeiten überholt.                Aufgrund der Einfachheit und Schnelligkeit von MWOM können potenzielle Neukunden in kürzester Zeit von anderen Kunden auf die Qualität eines Produkts aufmerksam gemacht werden.

 

3. Untersuchungsgegenstand

Die Studie beschäftigt sich damit, inwiefern das Kaufverhalten speziell im Falle von Neuerscheinungen durch MWOM gesteuert werden kann. Jene, die an die Wirkung des ´Twitter-Effekts´ glauben, sind beispielsweise der Überzeugung, dass Filme wie Brüno aufgrund negativer ´tweets´ nicht den Durchbruch erzielen konnten. Filme wie Transformers, waren trotz negativer Filmkritik aber dank positiver ´tweets´ sofort erfolgreich. Auf der anderen Seite gibt es auch jene, die den ´Twitter-Effekt´ abstreiten und der Ansicht sind, und dies auch durch eine Studie belegten, dass für Kinobesucher einzig und allein das TWOM zählt. Sie rechtfertigen ihre Aussage unter anderem damit, dass die Wirkung eines MWOM aufgrund der limitierten Zeichenanzahl ebenfalls beschränkt ist. Da sich kurz nach Premiere eines Filmes anhand der Quoten schon abzeichnet, ob ein Film erfolgreich wird oder nicht, hat sich die Studie vorwiegend mit MWOM der Wochenenden nach Filmpremieren (da diese normalerweise an Freitagen stattfinden) befasst.

4. Ausgangspunkt: 3 Hypothesen

Als Ausgangspunkt wurden 3 Hypothesen formuliert:

1)         MWOM haben sofortigen Effekt auf andere potenzielle Kunden.

2)         Bewertung (positive oder negative Kritik) und Verbreitung der MWOM sind von
            großer Bedeutung.

3)         Als Zielgruppe gelten Jugendliche und Familien als besonders empfänglich;
            deswegen sind diese  Gruppen auch empfänglich für MWOM Nachrichten.

5. Die empirische Studie zum ´Twitter-Effekt´

Es ist wichtig hervorzuheben, dass sich die Studie vor allem auf das Wochenende nach Veröffentlichung neuer Filme stützt, da aufgrund der Schnelligkeit von MWOM an diesen Tagen die Wirkung der anderen beiden, TWOM oder EWOM, fast gänzlich ausgeschlossen werden kann. Die Liste der untersuchten Filme findet sich in der Studie im Anhang und trägt vorerst keine weitere Relevanz.

Um die empirische Studie durchzuführen wurden folgende Komponenten berücksichtigt: 1) die  kompletten Einnahmen der Abendkassen an den Samstagen und Sonntagen           nach der Premiere der zu untersuchenden Filme. 2) Es wurden die MWOM Nachrichten, die innerhalb 24 Stunden nach der Filmpremiere publiziert wurden, je nach Bewertung und ihrer Verbreitung gelistet. 3) Außerdem wurden speziell Jugendliche und Familien als Rezipienten der MWOM Nachrichten untersucht. Das Ziel war nicht den Erfolg der Kinofilme zu eruieren, sondern die Einnahmen des Wochenendes mit den Einnahmen am Tag der Erstaufführung in Relation zu setzen. Werbungen und professionelle Filmkritiken wurden ebenfalls bei der Auswertung der Studie beachtet. Warum Twitter für diese Studie stellvertretend für MWOM Nachrichten gewählt wurde, ist leicht zu erklären. Einerseits, weil es mittlerweile weltweit die größte Microblogging-Plattform ist, und andererseits, weil Twitter bereits als Synonym für Microblogging genutzt wird. Den Forschern wurde ebenfalls der Zugang gewährt, alle Twitter-Nachrichten herunterzuladen und so wurden mehrere Listen mit verschiedenen Schlagwörtern formuliert, die in Relation mit den Kinofilmen stehen.  Man ging von einem Durchschnitt von 45 „Follower“ pro Twitter Benutzer aus (Henning-Thurau&Wiertz:17). Es wurden insgesamt ca.182 Millionen Menschen, bzw. potenzielle Neukunden darüber informiert. Zur Analyse standen ausschließlich Tweets der englischen Sprache, die danach weiter  aufgegliedert wurden. Es wurde vor allem zwischen jenen, die bewertend und erst nach dem Konsum stattgefunden haben, und jenen die bereits vor dem Konsum veröffentlicht wurden, unterschieden. Die Vorgangsweise und die Ausführung der Bewertungen stellen sich sehr komplex dar.

6. Ergebnisse

Von den insgesamt fast 4 Millionen gesammelten `Tweets` waren ca. 830,000 von negativer bzw. positiver Beurteilung, wobei jedoch positive Beurteilungen überwiegten.
Auffallend ist in der Statistik, dass vor allem Freitag abends, am selben Tag der Premiere, die meisten Tweets veröffentlicht werden (Henning-Thuraz&Wietz:20). Der Höhepunkt von bewertenden Tweets wurde meist um 23.00 erreicht, wohingegen jene Tweets, die nicht bewerten (wie zB. „I am gonna see…“) meist 3 Stunden vorher, also noch vor der Filmpremiere veröffentlicht werden. Außerdem ist der Höhepunkt an Tweets am Tag der Veröffentlichung festzustellen und schwächt nachher langsam ab.
Es konnte nachgewiesen werden, dass die Bewertungen anderer User großen Einfluss auf das Kaufverhalten neuer potenzieller Kunden haben.

Die Studie lieferte jedoch keine Beweise für die dritte Hypothese, die behauptet, dass vor allem Jugendliche und Familien besonders empfänglich für MWOM Nachrichten sind. Die zweite Hypothese bestätigt sich zwar, aber die Bedeutung der Bewertung und Verbreitung der MWOM zeichnet sich nicht mit einer wissenschaftlichen Signifikanz aus. Allerdings konnte nachgewiesen werden, dass der Wirbel um einen Film noch vor seiner Premiere die größten Auswirkungen auf seinen Erfolg am Tag der Veröffentlichung hat.Die Studie lieferte also empirische Belege für die Existenz eines ´Twitter Effekts´.

 


7. Relevanz der Studie

Die Relevanz der Studie wurde vor allem durch Kritiker des ´Twitter-Effekts´ mehrmals diskutiert. Einer der Kritikpunkte ist jener, dass lediglich MWOM untersucht wurden und man beachtete nicht ausreichend genug, ob Leute nicht durch andere Einwirkungen (Werbung, Mundpropaganda, etc.) auf die Filme, bzw. Produkte aufmerksam wurden. Der Einwand gegen diese Kritik ist jedoch, dass aufgrund dessen, dass die Analyse nach sofortiger Premiere stattgefunden habe, lediglich MWOM die Möglichkeit haben, viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu erreichen.

8. Gibt es den Twitter-Effekt auch in der Literatur?

Bisher durchgeführte Studien befassten sich ausschließlich mit der Auswirkung von Twitter auf den Erfolg von Kinofilmen, dennoch wäre es interessant zu hinterfragen, ob gleiche Tendenzen auch bei Neuerscheinungen von Büchern wiederzufinden sind.
Die Fragestellung könnte lauten, ob sich auch ein Trend bei den Bestseller-Listen (beispielsweise vom Buchgeschäft Thalia oder von der Zeitung Spiegel) in Hinblick auf die Reihung der Bücher und ihrer Bewertungen durch Twitter feststellen lässt. Leider gibt es zur Kategorie ´Buch´ bisher noch keine Studien.

Auffallend ist jedoch sofort, dass nach einer kurzen Recherche in Twitter weniger neuerscheinende Bücher als Filme im Twitter-Verzeichnis gefunden werden können. Derzeitige Bestseller wie Die Verteidigung der Missionarsstellung von Wolf Haas können weder über den Buchtitel noch über den Autor gefunden werden. Hingegen original englischsprachige Bücher wie zum Beispiel von der Autorin Sylvia Day mit ihrer Neuerscheinung Crossfire-Versuchung. Band 1 Roman können unter Twitter gefunden werden. Sucht man nach dem deutschen Titel des Buches, scheinen vor allem Firmen auf, die das Buch versuchen zu bewerben, wie zum Beispiel:

TOP ***** BUCH // buch Crossfire – Versuchung. Band 1 Roman Sylvia Day aus der Reihe Heyne-Bücher Allgemeine Rei… (Geschenke Tipps)

Sucht man hingegen nach dem Originaltitel des Buches, dem englischen Titel, findet man auch zahlreiche Beiträge von Privatpersonen, die über das Buch schreiben, wie zum Beispiel:

Starting and finishing a book in one day. #crossfire #sylviaday #gideoncross

Bei der Suche nach der Neuerscheinung von Michael Köhlmeier die Abenteuer des Joel Spazierer trifft man lediglich auf einen einzigen Beitrag auf Twitter, und zwar von der Zeitung ´die Zeit´:

„Michael Köhlmeier ist mit dem Roman ‚Die Abenteuer des Joel Spazierer‘ ein ungeheurer Wurf gelungen.“ Wie weit hat er geworfen?”  

Es wirkt, als würde deutschsprachige Literatur im Gegensatz zu englischsprachiger Literatur noch eher wenig auf Twitter beworben werden. Bei der Recherche nach dem neuen Buch Inferno von Dan Brown, das erst im Mai 2013 veröffentlicht wird, bestätigte sich die Hypothese und es erscheinen sofort zahlreiche Tweets. Es sind durchgehend positive und freudige Nachrichten, alle auf Englisch verfasst, die über die baldige Veröffentlichung des Buches schreiben. Viele von ihnen scheinen individuelle Leser und Leserinnen zu sein, jedoch sind einige Beiträge auch von Buchgeschäften, die Bestellungen bei ihnen bewerben um Bestpreise zu garantieren. Folglich einige Beispiele:

“Nice! Excited for #danbrown new novel #inferno

“Words cannot describe how excited I am for May 14. #Inferno #DanBrown

“Dan Brown’s #Inferno is due out on the 14th May! Pre-Order yours for half price in store.“

I’m thinking of ways of how I can get my hands on Dan Brown’s new novel before anyone else here in the Philippines. #preorder #inferno

Auffallend ist außerdem, dass alle Tweets auf Englisch verfasst sind und es scheint, als würde vor allem das englischsprachige Publikum gerne Filme und Bücher auf Twitter kommentieren.
Hierzu eine Theorie aufzustellen, wäre eventuell noch zu gewagt und nicht ausreichend genug belegbar. Es scheint jedoch auffallende Tendenzen zu geben, dass das englischsprachige Publikum die Twitter-Plattform bereits als Austauschforum auch für die Beurteilung von Literatur entdeckt hat, deutschsprachiges Publikum hingegen sich damit noch eher zurückhält.

 

7. Schlusswort

Dass ein MWOM das Kaufverhalten verändert, steht außer Diskussion, die Frage ist jedoch inwieweit es dadurch verändert wird. Nicht nur neue Produkte, wie Filme, Musik, Spiele, etc. werden auf Kommunikationsplattformen wie Twitter beworben, sondern auch der Hype über bestimmte Produkte, wie jene von Apple, IPhones und IPads, können gezielt über Twitter ausgelöst und gesteuert werden. Heutzutage gibt es die Möglichkeit,  durch die Verbreitung von Information im Internet viel mehr Leute zu erreichen. Seitdem diese Möglichkeit besteht, ist es noch einfacher geworden, sich über bestimmte Produkte zum Beispiel durch Kundenrezession austauschen zu können. Im Falle von Twitter sind es wahrscheinlich die beschränkte Anzahl der 140 Zeichen, die einem bequem und vor allem in kürzester Zeit einen Überblick liefern, wie das neue Produkt bei anderen Kunden ankommt. Obwohl es   Vorteile bringt, sich immer und überall über die Rezeption anderer Kunden über bestimmte Produkte zu informieren, stellt dies gleichzeitig eine Herausforderung für  Firmen und Hersteller dar, da die Qualität der Produkte immer wichtiger wird und Kunden kaum noch zu Produkten greifen werden, über die sie  keine Bewertungen gelesen haben. (Henning-Thurau&Wiertz:32)

 

Bibliographie

Hennig-Thurau,T & Wiertz, C. (2012) Exploring the ´´Twitter Effekt:“ An Investigation of the Impact of Microblogging of Mouth on Consumers´Early Adoption of New Products. Marketing Center, Münster und Cass Business School, City University London. (letzter Zugriff: 30.Jänner 2013 10:48)
(verfügbar auf http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2016548)

O´Reilly & Milstein,S.(2009): Das Twitter-Buch. O´Reilly, Köln.

Weinberg, T. (2011): Social Media Marketing: Strategien für Twitter, Facebook & Co. O´Reilly, Köln.

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